Resümee über das XXIII. Else Lasker-Schüler-Forum

Erstmals hat sich mit dem XXIII. Else Lasker-Schüler-Forum eine deutsche Literaturgesellschaft mit öffentlichen Veranstaltungen vorgestellt: vom 2. – 9. Oktober 2021 in Sanary-sur-Mer, der „heimlichen Hauptstadt der deutschsprachigen Literatur“. Weil in dieser Stadt deutsche Schriftsteller und Künstler während der Nazizeit im Exil lebten, kam auf Einladung der ELS-Gesellschaft erstmals mit dem deutschen Botschafter Dr. Hans-Dieter Lucas ein offizieller Vertreter der Bundesrepublik in diese Stadt. Er sprach zur Eröffnung des Forums im Theater Galli, ebenso der Leiter des Goethe-Instituts Marseille, Oliver Brandt.

 

Kooperationspartner waren - neben der Kommune Sanary - das Goethe-Institut Marseille, die Universität Aix-Marseille, das Centre Franco Allemand de Provence in Aix, das Zentrum für verfolgte Künste, Solingen, die Sanary-Partnerstädte Bad Säckingen und Purkersdorf  in Österreich.

Veranstaltungen: Durchgeführt wurden unter Corona-Schutzauflagen:

  • Drei literarische Stadtführungen auf den Spuren der Emigranten (2.10. um 11 h und 15 h sowie am 7.10. um 15 h mit dem Schweizer Literaturexperten Martin Dreyfus)
  •  Die Uraufführungen zweier Auftragsarbeiten/Theatertücke als inszenierte Lesungen: „Fremd die Heimat“ über das Ehepaar Feuchtwanger und „La Mort difficile“ (über die deutsch-französische Dichterliebe zwischen René Crevel und Klaus Mann).
  • Zwei Diskussionen (über Rassismus/Antisemitismus am 2.10. und zwischen den Schriftstellerinnen Cecile Wajsbrot und Anne Weber am 5.10. über das Beschweigen der Vergangenheit)
  •  Sechs Bühnenabende mit Musik/Video und Tanzperformance
  • Sieben  Vorträge
  • Eine Filmvorführung (deutsch-franz. „Transit“)
  • Eine Ausstellung mit Bildern (Faksimiles) von Else Lasker-Schüler und von Malern (aus dem Bestand des Solinger Zentrums für verfolgte Künste), die in Frankreich interniert waren.

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Die Kommune Sanary hatte großflächig in Französisch hohe Plakattafeln im Stadtgebiet aufgestellt mit Logos der Förderer (Auswärtiges Amt/Goethe-Institut Marseille, AG Literarischer Gesellschaften, Bezirksregierung Düsseldorf, deutsch-französischer Bürgerfonds).

Pressetexte auf Französisch gingen an die Medien über die Kommune Sanary, das Goethe-Institut Marseille und die deutsche Botschaft in Paris.

 

In Deutschland sind die überregionalen Zeitungen informiert worden. Der WDR hat nachrichtlich auf das Forum hingewiesen, die Westdeutsche Zeitung berichtete ausführlich. Auf Youtube, vor allem aufFacebook sowie auf den Websites der Kommunale Sanary und der Else Lasker-Schüler-Gesellschaft wurde mit den Logos der Förderer auf das Forum hingewiesen.

 

Zwei Newsletter-Ausgaben der Else Lasker-Schüler-Gesellschaft informierten mit Auflagen von jeweils mehr als 1.100 Exemplaren.

 

Resonanz und Reichweite

Alle Veranstaltungen waren gut bis sehr besucht. Selbst ins Große Theater Galli kamen an insgesamt 8 Abenden jeweils zwischen 300 bis 400 Gäste.

 

Die Ausstellung „Trauma Tansit“ in der Städtischen Galerie Maison Flotte wurde zwischen dem 3. – 9. Oktober von ca. 500 Menschen besucht, überwiegend Franzosen, denen Mitglieder der ELS-Gesellschaft auf Französisch für Gespräche zur Verfügung standen.

 

In den regionalen Radio- und TV-Sendungen der Provence wurden Meldungen gesendet, u.a. in der Fernsehsendung FRANC BLEU PROVENCE am 3.10. ausführlich sowie am 7.10.21 auf BFM Var eine Reportage über das Forum mit Schwerpunkt Ausstellung und einem Interview mit der Kuratorin Birte Fritsch.

 

Zudem berichtete RIVIERA-PRESS sowie die Westedeutsche Zeitung in einem fünfspaltigen Artikel. Das regionale Sanary-Magazin veröffentlichte das Programm auf Französisch (Anlagen).

 

 

Ein zweisprachiges Magazin mit 80 Seiten in einer Auflage von 850 Stück stand gratis allen Besuchern zur Verfügung. Gratis war auch der Eintritt – als Dank an die Kommune für die kostenfreie Nutzung des Großen Theaters Galli, des Petit Galli und der städtischen Galerie Maison Flotte als Eigenanteil der Kooperationspartnerin Sanary.

 

Probleme

Am 4. Oktober gab es eine Unwetterwarnung und alle Veranstaltungen sollten abgesagt werden, Schulen und Restaurants etc. waren ab Mittag geschlossen. Auch das Theater.

Da jedoch Sanary verschont blieb, konnte die Lesung mit Frido Mann nachmittags und die Aufführung des Multimediastücks „Charlotte Salomon“ in der Maison Flotte unter Beachtung aller Sicherheitsfragen durchgeführt werden – etwa 60 Teilnehmer waren zur Lesung von Prof. Mann gekommen, das benachbarte Hotel De la Tour hatte Stühle ausgeliehen. Die Besucher beteiligten sich anschließend an einer lebhaften Diskussion mit dem Referenten Frido Mann.

 

Abends war die Wetterlage noch entspannter, aber das Theater nach wie vor geschlossen. Das Ensemble „Astronautenkost“ wäre nach einem Tag und einer Nacht ohne Auftritt abgereist. Die Künstler erklärten sich bereit, ohne Technik, also ohne Bildprojektionen und Beschallung, ihr Programm über Charlotte Salomon unter diesen erschwerten Bedingungen aufzuführen. Es fand improvisiert im 1. Geschoss der Maison Flotte vor etwa 80 Besuchern statt, wieder mit Stühlen vom Hotel de la Tour, wo einst Klaus Mann und Bertolt Brecht Gäste waren.

Der Vortrag am 8.10. von Frau Prof. Nicole Colin („Annäherung durch Konflikt – eine deutsch-franz. Kulturgeschichte“) musste wg. Flugproblemen ausfallen – der anwesende Solinger Verleger Adrian Jesinghaus sprang mit einem (Lichtbilder-)Vortrag ein über die krimihafte Wiederentdeckung des Buchs von Frank Arnau „Die braune Pest“.

 

Kritische Aspekte

Einige französische Besucher bemängelten, dass nicht noch mehr Vorträge oder Abend-veranstaltungen in ihrer Sprache präsentiert wurden. Zu fast allen Veranstaltungen waren jedoch französische Erklärtexte ausgelegt worden. Zudem gab es dazu Texte im zweisprachigen Magazin zum Forum. Und stets war mit der Französin Marie Robert Buntenbroich eine Dolmetscherin für Besucher, Techniker und Künstler*innen von morgens bis abends im Einsatz.

Natürlich wäre eine professionelle Simultan-Übersetzung noch besser gewesen. Doch dazu fehlten die technischen, finanziellen und personellen Voraussetzungen.

 

Nachhaltigkeit

Das Theaterstück „Fremd die Heimat“ wurde auf Französisch der Mediathek von Sanary zur Verfügung gestellt - und damit auch den Schulen.

 

Das 80seitige Forums-Magazin ging an Archive, Bibliotheken, Universitäten und Schulen in Frankreich und Deutschland. Geplant ist, wenn die Finanzierung klappt, ein ELS-Almanach zum Forum: Ich suche allerlanden eine Stadt – Sanary-sur-Mer, Paradies wider Willen.     

 

Die (inzwischen 23 internationalen) Else Lasker-Schüler-Foren stellen zwar unter Beweis, wie zeitgemäße Erinnerungskultur gestaltet werden kann. Aber wenn nicht regelmäßig Anschlussveranstaltungen in den Folgejahren stattfinden, bleiben nur die Magazine und die Bücher (Almanache) als bleibende und haptische Erinnerung.

 

Hajo Jahn

Vorsitzender der Else Lasker-Schüler-Gesellschaft